Skip to content

Mythen und Märchen zum Thema Lüften

1. Wenn es draußen regnet, soll man nicht lüften!?

Das ist eine Auffassung der ich relativ häufig begegne. Die Frage, ob dies richtig oder falsch ist, lässt sich mit „einem ganz klaren JEIN“ beantworten. Hier kommt es nämlich nicht nur auf den Niederschlag, sondern vorrangig auf die Lufttemperaturen an. Denn – ich wiederhole mich hier – kalte Luft kann weniger Luftfeuchte aufnehmen als warme. Deshalb ist es meist lohnenswert, kalte Luft in den Wohnraum zu lüften und diese dort aufheizen zu lassen. Je wärmer die Luft drinnen wird, desto mehr Feuchte kann aufgenommen werden.

Nehmen wir mal an, draußen regnet es, bei winterlich kalten 5°C. Die 5°C kalte Luft enthält bei maximaler Sättigung (100 % relative Luftfeuchte) 6,8 g/m³ absolute Feuchte. Diese Luft holen wir uns durch das Fenster hinein und lassen sie aufheizen. Aufgrund der aktuellen Energieeinsparungs-Bemühungen gehen wir mal etwas vorsichtiger ran und heizen auf 18°C. Der Wert der absoluten Feuchte von 6,8 g/m³ entspricht bei 18 °C nicht mehr 100 %, sondern nur noch 44,3 % relativer Luftfeuchte (weil warme Luft mehr Feuchte aufnehmen kann). Das ist doch schon mal prima. Denn jetzt kann die Luft einiges an Feuchte aufnehmen, bis wir sie später wieder durch das Fenster in die Freiheit entlassen (je nach Randbedingungen, z.B. spätestens bei 70 % relativer Luftfeuchte an der kältesten Stelle im Raum).

Während ein warmer Sommerregen zwar eigentlich dem kalten Winternass vorzuziehen ist, gilt dies nicht für das Lüften. Das Lüften im Sommer, und das auch noch bei Regen oder Schwüle, kann uns im Wohnraum mehr Luftfeuchte bescheren, als uns lieb ist. Das ist im normalen Wohnraum meist kein Problem, sofern der nicht deutlich kälter ist als die Außenluft. Aber wo haben wir das denn nicht? Richtig, z.B. im Keller. Den Keller sollte man im Sommer tagsüber eher nicht lüften. Und damit kommen wir schon zum zweiten Mythos.

2. Feuchte Keller lüftet man im Sommer trocken!?

Auch hier wäre die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser oft genutzten Praxis mit einem eindeutigen „Es kommt darauf an!“ zu beantworten.

Natürlich kann man den Kartoffelkeller oder einen als Wohnraum genutzten Keller auch im Sommer lüften, aber eben nicht permanent bzw. zu jeder Tageszeit. Lüfte ich im Sommer, z.B. bei 28 °C und 60 % relativer Luftfeuchte draußen, dann enthält diese Luft eine absolute Luftfeuchtigkeit von 16,33 g/m³. Wenn diese Luft an die z.B. 18°C kühlen Kellerwände gelangt und dabei ebenfalls abkühlt, steigt die relative Luftfeuchte auf 100 % und Kondenswasser fällt aus. Hier reicht sogar eine Temperatur von z.B. 22°C und die daraus resultierende relative Luftfeuchte von rd. 84 %, um eine potentielle Schimmelpilzgefahr zu schaffen.

Im Sommer sollte man den Keller also immer dann lüften, wenn die Luft kühl ist bzw. eine geringe absolute Luftfeuchte hat (also eher morgens, abends und nachts als tagsüber). Hierfür gibt es auch technische Lösungen, d.h. Geräte, die das Innen- und Außenklima messen und vergleichen sowie das Fenster mechanisch öffnen oder eben nicht. Im Falle des Wohnraumes im Keller ist es natürlich aus hygienischer Sicht notwendig, tagsüber zu lüften. Auch hier wären dann technische Lösungen erforderlich, z.B. zur Raumluftentfeuchtung.

Zusammenfassend könnte man also sagen, erst Messen, dann Lüften.

3. Wenn keiner daheim ist, muss man ja eigentlich auch nicht lüften!?

Bei der ganzen Überlegung um Feuchte im Wohnraum könnte man auf die Idee kommen, dass man ja eigentlich auch nicht lüften muss, wenn keiner vor Ort ist oder war, der Feuchte produziert. Hierbei ist zu beachten, dass viele Baustoffe, wie Kalk, Holz und Lehm ebenso wie Textilien in der Lage sind, Feuchtigkeit aufzunehmen. Das passiert verstärkt im Fall von Feuchtespitzen (z.B. nach dem Duschen oder Kochen). Die Feuchte wird dann später langsam wieder abgegeben. Das ist eigentlich eine super Sache. Es führt aber auch dazu, dass sich die Raumluftfeuchte nach dem ersten Lüften wieder erhöht, z.B. wenn morgens alle auf dem Weg zur Arbeit/Schule/etc. sind. Diese verzögert abgegebene Feuchte muss rausgelüftet werden, ebenso wie Feuchte aus nasser Wäsche, Blumen, Aquarien, etc.

Aber es gibt auch noch einen anderen Grund: Raumluftschadstoffe! Alles, was im Laufe der Zeit so langsam aus der Bausubstanz, der Einrichtung und den technischen Geräten in die Raumluft ausgast (Formaldehyd, Holzschutzmittel, Flammschutzmittel, etc.), tut dies auch in Abwesenheit der Bewohner. Da diese nicht nur bei Anwesenheit 30 bis 40 Gramm Feuchte pro Stunde ausatmen, sondern auch 400 bis 800 Liter Luft pro Stunde einatmen, lohnt das Lüften auch in diesem Fall.

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Aufgrund der verzögert freigesetzten sowie der atemluftunabhängigen Feuchte und mit dem Ziel, dass die Luft „nicht sauberer vom Menschen ausgeatmet als eingeatmet wird“, empfiehlt sich das Lüften der Wohnräume auch nach Abwesenheit der Bewohner.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *