In den letzten Wochen und Monaten kam es in zahlreichen Regionen gehäuft und wiederholt zu Starkregenereignissen und teils sogar zu Überschwemmungen. In besonders intensiv betroffenen Gebieten, dort wo Fachunternehmen und Sachverständige der Vielzahl an Anfragen nach Wassereintritten in Wohngebäuden nicht mehr nachkommen können, herrscht oft Ratlosigkeit und Unsicherheit. Im Rahmen eines regelmäßig online stattfindenden Treffens von Vertretern der Baubiologie, des Sachverständigenwesens und der Umweltmedizin formulierte ein Kollege jüngst einen Hilferuf, der die Idee zur Folge hatte, gemeinsam ein Merkblatt herauszubringen. Dieses Merkblatt befindet sich derzeit in Arbeit. Viele von uns haben Ideen eingebracht. Einige haben auch schon Entwürfe als Zusammenfassung des gemeinsamen Wissens angefertigt. Wir sind dabei wirklich bemüht nicht „vom Hölzchen aufs Stöckchen zu kommen“ und alle Meinungen zum Inhalt und Ausmaß des Merkblattes unter einen Hut zu bringen, was allerdings nicht immer leicht ist. Ich kann daher aktuell nicht sagen, wie lange es noch dauern wird, bis das Merkblatt fertig ist.
Aus diesem Grund und weil sich derzeit auch in unserer Region die Fälle von Feuchteeintritten in Kellerräume häufen, habe ich mich entschieden, hier den Inhalt eines von mir letzte Woche zusammengefassten Entwurfs des Merkblattes vorzustellen. Das Ziel der folgenden Ausführungen und Empfehlungen ist nicht die konkrete Sanierungsplanung akuter Wasserschäden, sondern die „Erste Hilfe“ für den Laien, im Sinne von Erstmaßnahmen zur Vermeidung von Schimmelpilzschäden – „bis der Krankenwaagen eintrifft“. Das heißt, dieser Blogbeitrag kann weder den Fachmann oder die Fachfrau, noch die Trocknungstechnik vor Ort ersetzten. Ich möchte stattdessen eine Unterstützung geben, um die Zeit bis zum Eintreffen der angeforderten Hilfe sinnvoll zu nutzen. Und so wie die erste Hilfe am Menschen, kann die erste Hilfe am Bauwerk so manchem Bauteil oder Einrichtungsgegenstand im Keller das Leben retten. Für den Fall, dass es bereits zu einem Schimmelpilzbefall gekommen ist, gibt es ebenfalls grundlegende Hinweise.
1. Vorwort
Zunächst möchte ich ein wenig Allgemeines zum Umgang mit Schimmelpilzschäden voranstellen.
Ja, es gibt gesundheitliche Risiken im Zusammenhang mit mikrobiologischen Besiedelungen durch Schimmelpilze und Bakterien. Aber! Wirklich schwerwiegende Krankheiten sind selten und Schutzmaßnahmen können auch „geringere Übel“ vermeiden. Das Einatmen von Sporen und sonstigen Bestandteilen oder Stoffwechselprodukten sowie der Hautkontakt sollten vermieden werden. Schutzmaßnahmen wie das Lüften des betroffenen Bereiches (insbesondere des Arbeitsbereiches) und die Verwendung von Atemschutz, Schutzbrille und Handschuhen sind daher zweckmäßig. Dies gilt auch für den Kontakt mit Schadstoffen, die z.B. aus im Keller gelagerten Chemikalienbehältern austreten können (Farbeimer, Verdünnung, Reiniger, etc.).
Besonders gefährdete Personengruppen, wie immunsupprimierte Personen (Menschen deren körpereigenes Abwehrsystem geschwächt oder unterdrückt ist), sollten sich jedoch besser nicht in schimmelpilzbelasteten Wohnräumen aufhalten und vor allem sollten diese nicht an vorderster Front die „Drecksarbeit“ erledigen.
Als Nächstes möchte ich die aus meiner Sicht wichtigsten Sofortmaßnahmen benennen, wobei die Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, ohne Gewähr ist (und vielleicht sogar Spuren von Nüssen und Schalenfrüchten enthält).
2. Sofortmaßnahmen
2.1 Safety first 2.0
Neben der eigenen Schutzausrüstung kann es, je nach Stärke des Wasserschadens sinnvoll sein, die Stromversorgung in den betroffenen Räumen abzuschalten und sämtliche elektrischen Geräte, Anlagen etc. vom Stromnetz zu trennen, um Kurzschlüsse und Stromschläge zu verhindern.
2.2 Lüftung der feuchten Räume
Wenn es sich beim Schadwasser weitestgehend um relativ sauberes Niederschlagswasser oder um Leitungswasser handelt (kein Hochwasser mit Schlamm, Öl, Treibstoff, Chemikalien, Fäkalien, etc.) und das Wasser im Keller abgepumpt wurde oder dies gar nicht notwendig war, dann bekommt die Trocknung der Raumluft und der Bauteile oberste Priorität. Dies erfordert zumeist eine technische Trocknung, insbesondere wenn der Keller ausgebaut ist und eine Estrichdämmschicht im Fußboden vorliegt. Wenn aber eine technische Trocknung zunächst nicht verfügbar ist, dann hilft nur: Lüften, Lüften, Lüften.
Hier kommt es im Sommer, insbesondere in Kellerräumen, auf die Außentemperaturen und damit auf die Tageszeit an. Ideal ist hier Querlüften (statt Kipplüften) in den kalten Nacht- und Morgenstunden. Hintergrund ist der Umstand, dass warme Luft mehr absolute Luftfeuchtigkeit aufnehmen kann, als kalte Luft und es daher beim Abkühlen von warmer Luft an kalten Oberflächen zur Erhöhung der relativen Luftfeuchte kommt (bis hin zu Kondenswasserbildung). Hier habe ich schon ganz viel berichtet, in meinen vorangegangenen Blogbeiträgen, die ich euch an dieser Stelle empfehlen möchte.
Zur Lüftung ist noch anzumerken, dass die Raumluftfeuchte in den betroffenen Räumen mit einem Hygrometer kontrolliert werden sollte. Der Zielwert (Höchstwert) der relativen Luftfeuchte beträgt im Winter 55 %. Das ist bei einem Wasserschaden, den derzeitigen Witterungsbedingungen und ohne eine technische Trocknung allerdings kaum möglich. Wenn die Raumluft daher unter 60 % rel. LF bleibt, wäre das schon prima. Alles in Richtung 70 % rel. LF wäre schon nicht mehr akzeptabel, weil die relative Luftfeuchte an den kälteren Stellen dann schnell einmal die 80 % überschreitet. Bei 80 % rel. LF können eigentlich so ziemlich alle Schimmelpilzarten gut wachsen (bei 70 % rel. LF nur einige wenige Arten).
2.3 Schutz der nicht betroffenen Räume
Nicht vergessen werden sollte das Abschotten nicht betroffener Räume oder Wohngeschosse gegenüber den unteren Schadensbereichen. Geeignet sind hier z.B. Folienwände und –türen im Kellerabgang, damit keine Feuchtigkeit oder luftgetragene Stäube und Schadstoffe in saubere Bereiche driften. Zur Vermeidung eines Schimmelpilzrisikos ist auch hier das Lüften und ggf. der Betrieb eines technischen Luftentfeuchters sinnvoll.
2.4 Entfernung kritischer Materialien
Bevor so richtig zur Tat geschritten wird, sollte die Versicherung informiert bzw. Abstimmungen getroffen werden. Die Schäden sind zudem mittels Fotos zu dokumentieren (vor und während der Maßnahmen, d.h. Zustand bei Schadeneintritt, Zwischenzustände, etc.). Empfehlenswert ist es, alle Unterlagen, Belege und Dokumente zu sichern. Das kann für die Schadensregulierung mit der Versicherung sehr wichtig werden.
Der nächste Schritt, wenn die Lüftung sichergestellt und die Schutzausrüstung angelegt ist, besteht darin sämtliche Bauteile, Oberflächen, Materialien und Gegenstände auf eine Durchfeuchtung und einen eventuell bereits sichtbaren Schimmelpilzbefall zu kontrollieren (spotartige Verfärbungen sichtbar? geruchsauffällig?).
Alles was mit Schimmelpilzen befallenen/besiedelt und nicht reinigungsfähig ist, sollte als Erstmaßnahme entfernt werden. Das gilt auch für feuchte Materialien, die leicht besiedelbar und/oder schwer trocknungsfähig sind. Was heißt das konkret? Oberflächen aus Metall, Keramik, Glas, dichtem Stein, harten Kunststoff, etc. können gereinigt werden. Wie das zu tun ist, erkläre ich später. Poröse, saugfähige und leicht besiedelbare Materialien und Bauteile, wie Tapeten, Teppiche, Papier und Pappe, Holz, Spanplatten, Gipskartonwände mit Mineralwolldämmung, etc. sind nach Möglichkeit zu entfernen und zu entsorgen. Insbesondere, wenn keine zeitnahe technische Trocknung sichergestellt werden kann, ist es oft sinnvoll den nassen oder sogar mit Schimmelpilz befallenen Putz abzuschlagen, damit das Mauerwerk dahinter ungehindert austrocknen kann.
Natürlich müssen im Keller gelagerte „Schätze“, wie wichtige Dokumente, Fotoalben oder besonders geliebte Lederschuhe nicht ohne Zögern entsorgt werden. Aber sie sollten raus aus dem Keller herausgeholt und umgehend getrocknet werden. Da die Kapazitäten zum Trocknen naturgemäß begrenzt sind und der Wohnzimmerboden irgendwann belegt ist mit trocknenden Schätzen, muss für den Rest die Frage gestellt werden, was wirklich noch benötigt wird und was direkt entsorgt werden sollte. Ich weiß, es ist hart und ich bin auch eher so der Typ „Das ist doch noch gut und das braucht man bestimmt mal wieder!!!“. Aber im Falle eines größeren Wasserschadens im Keller bleibt oft nichts Anderes übrig als zu Entrümpeln.
Sollte eine Entsorgung zeitnah nicht möglich sein, können betroffene Bereiche übergangsweise mit Folie abgedeckt und abgeklebt werden. Das kann zwar die Qualität der Innenraumluft verbessern. Darunter schimmelt es aber munter weiter und die Austrocknung ist behindert. Abdecken kann also nur eine temporäre Notlösung sein, bis eine fachgerechte Sanierung erfolgt.
2.5 Reinigungsmaßnahmen
Als nächstes komme ich zu einem sehr wichtigen Punkt, der Behandlung von reinigungsfähigen Oberflächen. Für die Reinigungsmaßnahmen der Oberflächen empfiehlt sich zum Beispiel Alkohol. Eine 70 %-ige Verdünnung ist dabei ideal und das muss auch nicht teuer sein. Es reicht der auf 70 % verdünnte Spiritus aus dem Baumarkt. Diesen bitte nicht höher als 70 % ig verwenden, damit er optimal wirken kann. Hier gilt also nicht „viel hilft viel“. Bitte zudem die leichte Entflammbarkeit der Lösung beachten. Eine schnelle „Brandsanierung“ ist nicht das Ziel der Reinigungsmaßnahmen!
Wirkungsvoll und sehr zu empfehlen ist auch Wasserstoffperoxid (fertige Produkte oder bestellt als 30 %-ige Lösung und unter Schutzmaßnahmen auf 12 % verdünnt). Bitte keine chlorhaltigen Chemikalien benutzen, da diese gesundheitsbelastend sein können. Bitte auch keinen Essig verwenden, da dieser den pH-Wert von mineralischen Materialien senkt und dadurch später Schimmelwachstum begünstigen kann.
Und dann geht es schon los. Handschuhe, Schutzhandschuhe, Schutzbrille an die richtigen Stellen platzieren und mit der Lösung aus Alkohol oder Wasserstoffperoxid die Oberflächen abwischen. Das geht ganz einfach mit Lappen (oder ganz fachmännisch mit Mikrofasertüchern).
3. Weitere Maßnahmen zur Schimmelpilzbeseitigung und Schimmelprävention
3.1 Kontrolle der Raumluftfeuchte mit Hygrometern
An dieser Stelle möchte ich mich bewusst und mit voller Absicht wiederholen, weil es so wichtig ist: Bitte die Raumluftfeuchte mit Hygrometern kontrollieren. Nur so kann gezielt gelüftet und die Gefahr von Schimmelpilzbildung abgeschätzt werden.
3.2 Auftrag von Kalkfarbe/Kalkmilch auf Mauersteine und Putz
Kalkfarbe oder Kalkmilch, welche aus Löschkalk und Wasser hergestellt wird, hat durch die hohe Alkalität (pH-Wert ≥ 12) eine „desinfizierende“ Wirkung (bakterizid sowie fungizid). Der Schimmelpilzschutz funktioniert aber nur zufriedenstellend, wenn der Untergrund frei von Schmutz, Staub, Fett und organischen Anlagerungen ist. Deshalb vorher den Punkt 2. 5 Reinigungsmaßnahmen abarbeiten. Ein weiter wichtiger Punkt ist die Zusammensetzung von modernen Kalkfarben. Hier muss man genau nach den Inhaltsstoffen schauen und im Zweifelsfall weder einen Arzt, noch einen Apotheker, sondern einen baubiologisch versierten Baustoffhändler nach hochwertigen Kalk- bzw. Sumpfkalkfarben fragen. Die gängigen Produkte im Baumarkt sind eher wie billige Fruchtsaftgetränke, die Spuren von Früchten (in dem Fall Kalk) enthalten können. Diese Farben heißen zwar Kalkfarben, beinhalten aber meist eine Vielzahl an Zusatzstoffen. In manchen sogenannten Kalkfarben ist der Kalk nur noch ein Füllstoff, während als Bindemittel Kunststoffe dienen. Das ist zwar zugegebenermaßen vorteilhaft für die Verarbeitung, doch die für unsere Einsatzzwecke gewünschten Eigenschaften, wie die Resistenz gegenüber Schimmelpilzbefall oder die hohe Diffusionsoffenheit, gehen dadurch verlorengehen. Beträgt der Kunstharzanteil einer Kalkfarbe nach dem Trocknen mehr als 5 %, ist sie als Schimmelprävention im Keller nicht mehr geeignet.
Soll, wie früher die Bauern im Kuhstall, eine Kalkmilch auf die Wände aufgebracht werden (einen mit Wasser stark verdünnten Sumpfkalk), sollten beim Arbeiten mit Kalkmilch unbedingt Handschuhe, eine Schutzbrille und einen Schutzanzug getragen werden. Der hohe pH-Werte wirkt nämlich ätzend. Grundsätzlich bitte keinen Branntkalk, sondern immer nur Löschkalk bzw. Sumpfkalk verwenden. Auch hier ist der Gang zum Ökologischen Baustoffhändler empfehlenswert.
3.3 Luftreinigung
Vor, während und auch unmittelbar nach den Reinigungsarbeiten kann der Betrieb von Luftreinigern sinnvoll sein. Diese filtern die Luft und reduzieren dadurch die Konzentration von Schadstoffen und Schimmelpilzbestandteilen. Dabei ist jedoch Einiges zu beachten. So darf der Luftreiniger die befallenen Flächen nicht derart anblasen, dass dadurch eine weitere Verteilung der Sporen im Raum stattfindet. Es ist darauf zu achten, dass der Filter (Hepafilter der H13 Klasse) regelmäßig ausgetauscht wird. Eine Empfehlung aus unserer kleinen Expertengruppe lautet, dass die gesamte Raumluft vor Nutzung des Raumes mindestens 12-mal den Filter durchströmt haben soll (relativ hoher Luftvolumenstrom erforderlich). Ferner haben Luftreiniger oft noch diverse Zusatzfunktionen, wie Ozonierung oder Ionisierung. Hier sollte man genau prüfen, was tatsächlich sinnvoll ist und welche Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind (insbesondere bei Ozon). An der Stelle verlasse ich aber mein Fachgebiet und verweise auf Menschen, die sich damit besser auskennen. Diese nehmen sich übrigens am 01.08.2024 Zeit für Fragen, worauf ich später noch zurückkommen werde.
Eine Sache möchte ich jedoch noch zur Luftreinigung anmerken. Sporen, andere Schimmelpilzbestanteile sowie mit Stoffwechselprodukten angereicherte Stäube sedimentieren, d.h. sie legen sich auf dem Boden und anderen horizontalen Flächen ab. Das heißt aber auch, dass sich durch Luftbewegung und damit einhergehende Aufwirbelungen die Raumluftqualität erneut verschlechtert. Deshalb sollten die sedimentierten Sporen vom Boden entfernt werden, entweder durch feuchtes Wischen oder mit einem H13-Filtersauger.
4. Abschließendes
Gratulation an alle, die es bis hierhin geschafft haben zu lesen! Das war für Laien auf diesem Gebiet viel Input. Wer sich aber jetzt immer noch nicht bis zur Sättigungsgrenze mit Informationen gefüttert fühlt, findet z.B. hier weiteren und frei zugänglichen Stoff:
• Schimmelleitfaden des Umweltbundesamtes für allgemeine Informationen zum Thema Feuchteschäden und deren Folgen (https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/schimmel/aktueller-uba-schimmelleitfaden)
• Merkblatt Hochwasser des Bundesverbandes Schimmelpilz-Sanierung e.V. für weiterführende Informationen, wenn nicht nur Niederschlagswasser in den Keller eingedrungen ist, sondern Hochwasser mit Schlamm, Chemikalien, Fäkalien, etc. (https://bss-schimmelpilz.de/wp-content/uploads/2022/07/01_Merkblatt_Hochwasser_Web_BSS_181121.pdf)
Safe the date! Zum Schluss möchte ich noch auf ein kostenloses Zoom-Meeting für Betroffene von Wasserschäden verweisen, welches am Donnerstag, den 01.08.2024 um 08:30 Uhr stattfinden wird. Hier stehen verschiedene Kollegen und Kolleginnen aus mehreren Bereichen für Fragen zur Verfügung. Damit möchten wir einen Beitrag zur ehrenamtlichen Hilfe leisten. Auch ich werde an diesem Morgen mit dabei sein. Den Link reiche ich nach, sobald mir dieser vorliegt.
Zum Schluss noch der Haftungsausschluss. Wie bereits voragehend angedeutet, gibt dieser Blog nur unverbindliche Empfehlungen, für die keine Haftung übernommen werden kann.
